Die neue Mediokrität.
Bislang war mein Leben in beruflicher Sicht stets davon gezeichnet, dass ich mich für neue berufliche Aufgabenstellungen sehr schnell sehr überschwänglich begeistern, ja, vielleicht sogar in sie hineinsteigern konnte. Jedesmal war in mir drin dieses "Ja, das isses!", dieser Gedanke, dass ich nun angekommen bin, dass ich hier einen super Griff gemacht hätte, dass ich hier und jetzt alle meine Träume und Entwicklungsmöglichkeiten realisieren können würde. Ich konnte jedem der es hören wollte oder auch nicht, davon vorschwärmen, wie toll doch alles ist - und ich habe es auch gemacht.
Jedesmal kam nach 1-2 Jahren der Dämpfer und ich habe eigentlich schnell gemerkt, dass ich dem Unternehmen überdurchschnittlich viel Leistung gegeben aber dafür unterdurchschnittlich wenig zurückbekommen habe. Dass ich letztlich auf der Strecke geblieben war. Gepaart mit meinem hohen Gerechtigkeits- oder besser Ungerechtigkeitsempfinden eine explosive Mischung.
Nicht zuletzt stand ich deshalb im letzten Herbst kurz vor knapp vor einem Burn-Out und habe in einigen Sitzungen beim Herrn ohne Couch, dafür aber mit psychotherapeutischer Zulassung, die Kurve gekriegt. Die alte Arbeitsstelle war mir zwischenzeitlich ja nun sowieso egal, lediglich ein gutes Trainingsobjekt für das Erlernen des "richtigen" Arbeitens ohne sich zum August zu machen.
Nun habe ich gestern zum sechsten Mal nach meiner Ausbildung einen ersten Arbeitstag gehabt. Zum ersten Mal gibt es nicht diese Euphorie, aber auch nicht diese Sorge, diesen unterschwelligen Druck, dass ich mich um jeden Preis beweisen muss. Zum ersten Mal betrete ich ein Unternehmen mit dem guten Gewissen, dass ich leistungsfähig und versiert bin, dass meine Qualifikation dicke ausreicht, um die anfallenden Aufgaben zu meistern. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass alles, was ich in den ersten Tagen und Wochen gebe, den Grundstein legen wird, für die Ansprüche, die auch in Zukunft an mich gestellt werden. Und mit dem Wissen, dass ich allein es in der Hand habe, ob es ein Horrortrip wird oder eine Stelle, auf der es sich gut aushalten lässt und die man gern macht - die man aber eben auch beim Verlassen des Büros hinter sich lässt.
Ich bin noch nie so ruhig an eine neue Arbeitsstelle herangegangen. Mit einer mir bislang unbekannten Mischung aus Souveränität und Unbekümmertheit und einer kleinen Prise Desinteressiertheit, die es eben auch braucht, sich nicht komplett von dem Monster Arbeitsstelle einnehmen zu lassen.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich darüber bin.