Ein Big-Mäc-Menü mit 'ner Cola.
Nachdem ich mich gestern ja so lang und breit über die Schwierigkeiten, die man als Schwangere in diesem Land so haben kann, ausgelassen habe, heute mal die andere Seite.
Ich behaupte nämlich ebenso auch, dass es vielen Schwangeren hier in diesem Lande auch viel zu gut geht. Von der
selbsternannten Risikoschwangeren hatte ich Ihnen ja schon erzählt.
Es gibt aber noch so viel mehr, was mich immer nur wieder den Kopf schütteln lässt.
Z.B. warum man nach der 37. Woche (ohne Blasensprung) mit unregelmäßigen Wehen ins Krankenhaus fährt. Was erwartet man da? Ich sagte es schon an anderer Stelle, aber ich würd mir völlig gaga vorkommen, wenn ich am Empfang des Kreißsaals stehen und sagen müsste, dass ich jetzt wegen Wehen, die unregelmäßig oder lange noch nicht im 5-Minuten-Takt sind, angereist bin. Eher stelle ich mich da hin und bestelle ohne zu lachen ein Big-Mäc-Menü mit 'ner Cola. Ohne Eis.
Aber ehrlich, nach dem Frühgeburtszeitraum vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche ist es doch albern wegen Wehen in die Klinik zu fahren, wenn das noch kein Geburtstakt ist. Da bin ich dann auch froh, wenn eine Klinik die Leute wieder wegschickt.
Aber es wird in meinen Augen leider viel zu wenig weggeschickt, vermutlich, weil man das als Arzt auch nicht so einfach darf. Dennoch hätte ich mir bei manch einer Mitschwangeren, die ich kennen lernen konnte, das gewünscht, dass da einfach mal jemand Klartext spricht.
Und da muss ich einfach sagen, da geht es den Damen hierzulande einfach auch zu gut.
Was hier für ein System an Vorsorgeuntersuchungen drin ist, ist schon mal richtig toll. Erst alle vier Wochen und dann alle zwei zur Vorsorge, nach Wunsch nur durch einen Arzt, nur durch eine Hebamme oder kombiniert. Ich hab's nicht recherchiert, aber ich denke, das das schon Umstände sind, die sich im Ländervergleich sehen lassen können. Und die meisten Frauenärzte machen auch ohne Abschluss einer 3D-Ultraschall-Flatrate mehr als die 3 Ultraschalluntersuchungen, die die gesetzlichen Kassen in der Schwangerschaft eigentlich nur übernehmen.
Trotzdem oder gerade deshalb besinne ich mich immer gerne darauf, dass das mit dem Kinderkriegen auch nicht zu sehr "vermedizint"werden sollte.
Nicht falsch verstehen. Ich möchte weder eine Hausgeburt noch in ein Geburtshaus, sondern habe mich ganz bewusst für die Geburt in einem hochmodernen und spezialisierten Superklinikum mit angeschlossener Neonatologie entschieden, weil ich - falls irgendeine Komplikation unter der Geburt auftritt - sicher sein möchte, dass ich nicht Schuld daran trage, dass ich die fehlende Sekunde Zeit vielleicht riskiert haben könnte dadurch, dass ich in einem Geburtshaus am Waldrand mit Räucherstäbchen entbinden wollte.
Aber ich denke, dass schwanger sein und vor allem das Kinderkriegen schon lange genug funktioniert hat. Sogar ganz ohne Ultraschall und spezialisierte Frauenärzte. Und natürlich gab es damals viel mehr Komplikationen, Fehl- und Todgeburten, hohe Müttersterblichkeitsraten usw. Und das, was wir heute an Möglichkeiten haben, ist toll. Leider ist die Kehrseite auch, dass sich immer mehr Schwangere total verrückt machen. Und verlernen, auf sich, ihren Körper und ihr Gefühl zu vertrauen. Und das finde ich sehr, sehr schade.
Ich bin, im Nachhinein betrachtet, auch ein paar Mal außer der Reihe zum Arzt oder in die Klinik gefahren, wo ich mir hinterher gedacht habe "eigentlich hätte ich das auch wissen müssen, dass das nichts schlimmes ist".
Aber das ist okay, denn ich weiß auch genau, was in jedem dieser Fälle dazu geführt hat und wie ich mich dabei gefühlt habe. Und das passte in den Momenten schon so.
Und obwohl ich, wie es die ehemalige Anführerin aller Hebammen dieses Landes so schön gesagt hat, so einen gesunden und robusten Weg für den Umgang mit meiner Schwangerschaft gefunden habe, sitze ich jetzt hier und vollende morgen die 37. Schwangerschaftswoche.
Und jetzt packe ich meine Kliniktasche. Cool wie ich bin, könnte es nämlich sein, dass ich das sonst gar nicht mehr mache... ;)
Wie es dazu kam, dass das frollein beinahe angefangen hätte, Jura zu studieren.
23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin, dachte ich mir, heute wäre ein schöner Tag, um Ihnen noch mal ein bisschen davon zu erzählen, wie gut man es als werdende Mutter in diesem Land doch hat.
Im Erlassen von Gesetzen und Vorschriften, im Aushändigen und Einfordern von Formularen ist dieses Land ja echt gut. Und dann haben wir ja nun mal auch das nachweisliche Problem, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden, was zu "Anreizprogrammen" wie Elternzeit und Elterngeld führt.
Und ich weiß, dass mein Fall ein Einzelfall ist, dass es viele viele andere Schwangere gibt, wo mit dem Arbeitgeber und sonst auch alles ganz knorke läuft. Aber das ist eben nicht immer so.
Und es kotzt mich (verzeihen Sie den drastischen Wortlaut) wirklich an, dass man als Frau und werdende Mutter in Deutschland zwar jede Menge Gesetze auf seiner Seite hat - auf dem Papier - aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist niemand für die Überwachung und Einhaltung da.
Das fängt bei den Vorgaben zu Beschäftigungsverboten an, die zwar im MuSchG geregelt sind, aber wo ein Gewerbeaufsichtsamt einfach sagt, es habe wichtigeres zu tun, als da jetzt eine Kontrolle zu machen. Dann müsse der Frauenarzt eben ein Attest ausstellen. Nun sehen Frauenärzte ihre Hauptaufgabe sicher auch nicht darin die Arbeitsbedingungen schwangerer Arbeitnehmerinnen zu begutachten (zumal ja auch noch eine Praxis zu führen ist) und Atteste zu erstellen und je nachdem welchem "Schlag" der Arzt angehört, kann das für die Schwangere vielleicht auch ein bisschen peinlich oder unangenehm sein, da mit einem solchen Anliegen vorstellig zu werden. Und selbst, wenn der Arzt das Attest erstellt, wenn der Arbeitgeber sich doof stellen will, dann tut er das. Natürlich ist die Schwangere im Recht. Und natürlich kann ihr auch nichts passieren, arbeitsplatzmäßig gesehen. Aber alleine das Ringen, der Stress, die Anspannung und das vergiftete Klima... das kann man in kein Gesetz pressen. Und "Mobbing" ist in Deutschland (leider) nicht strafbar. Und Anwälte? Die können zwar böse Briefe schreiben, aber den Arbeitgeber ja auch nicht zwingen.
Und ich rede hier nicht nur von meinem Fall. Mir ist zum Beispiel beim Besuch meiner Anwältin alles aus dem Gesicht gefallen, als sie mir erzählte, dass eine Schwangere, die mit radioaktiven Stoffen arbeitete, vom Arbeitgeber nicht freigestellt wurde. Sie haben fünf Monate gestritten und gekämpft. Das Gewerbeaufsichtsamt hat nichts unternommen, die Anwältin hat alles versucht, die Schwangere ebenfalls. Dann hat sie das Kind verloren.
Was bleibt, ist das vergiftete Klima.
Und da kommt auch schon der nächste Punkt.
Es ist ja schön, dass man seinen Arbeitsplatz per Gesetz durch eine Schwangerschaft nicht verlieren kann. Dass wir Elternzeit nehmen dürfen und danach wieder in Lohn und Brot stehen sollen. Aber ein Gesetz kann und wird in Deutschland keine schwangerschafts- oder schwangeren-, geschweige denn mütter- und elternfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen.
Und es gibt sie leider, die Arbeitgeber, die in der schwangeren Arbeitnehmerin ein Übel sehen, einen unangenehmen Posten auf der Personalrolle, einen Störenfried in der Personalplanung, die fiese Unbekannte, mit der man nie rechnen kann, weil ihr morgens womöglich übel ist und sie nachmittags die Beine hochlegen muss. Und womöglich auch eine Mitarbeiterin, die das in sie gesetzte Vertrauen gebrochen und die ihr übertragenen Aufgaben eben nicht zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hat.
Ich gehe so weit zu sagen, dass, MuSchG hin oder her, es in Deutschland jeder Arbeitgeber ungestraft schaffen kann, eine schwangere Arbeitnehmerin nach der Geburt und eventuell in Anspruch genommenen Elternzeit nicht wieder einstellen zu müssen.
Mein subjektiver Eindruck ist außerdem, dass das "Problem" umso ausgeprägter ist, je qualifizierter die weibliche Arbeitskraft ist. Arbeitet die Frau dann womöglich noch in einer eher männlich geprägten Arbeitsumgebung, dann wage ich die Prognose, dass bei einem Chef, der wenig von Gleichberechtigung oder Gleichstellung verinnerlicht hat, die Arbeitnehmerin nicht sorgenfrei bis zum Eintritt ihrer Mutterschutzfrist wird arbeiten können.
Ich tue mich, als 32-jährige Frau im Jahr 2012, die sich eigentlich nie als benachteiligt gesehen hat, schwer mit Begriffen wie "Emanzipation", "Frauenbewegung", "Gleichstellung" usw. Ich identifiziere mich nicht mit Frauen, die in lila Latzhosen für die Rechte von Frauen kämpfen, die nicht müde werden zu beklagen, dass Frauen kein Eintritt in "Männerberufe" möglich ist, von denen aber keine je ein Ingenieursstudium oder eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung angestrebt hat, sondern die irgendwas auf Lehramt oder Magister studiert haben.
Und trotzdem muss ich, 23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin meines ersten Kindes, feststellen, dass vieles von dem, was hinsichtlich Gleichstellung und Frauenrechten gefordert wird, leider tatsächlich (noch) bitter nötig ist.
Vor allem aber finde ich es schade, dass denjenigen Frauen, die den schwarzen Peter gezogen und sich für einen der "schwangerenfeindlichen" Arbeitgeber entschieden haben, niemand zur Seite steht. Weder gibt es Beratungsangebote noch Unterstützung oder gar rechtliche Konsequenzen. Wollten Sie sich auf dem Wege eines zivilrechtlichen Verfahrens gegen Gesetzesmissachtungen ihres Arbeitgebers auflehnen, so können Sie davon ausgehen, dass es hier erst zu einem Urteil kommt, wenn ihr Kind schon im Kindergarten die ersten Bilder malt. Und sie werden sich auch 3x überlegen, ob sie sich das während ihrer Schwangerschaft antun. Denn, auch wenn klar ist, dass Ihnen von der Arbeitgeberseite keine "nette" Schwangerschaft vergönnt sein wird, stellen Sie sich sicher die Frage, ob sie es sich jetzt, in diesen Umständen, noch schwerer machen müssen als es ohnehin schon wird.
Und so, behaupte ich, gibt es viele Frauen, deren Schwangerschaft hätte schöner verlaufen können, wenn die Stimmung im Arbeitsleben eine etwas andere wäre.
Und deshalb habe ich zwischenzeitlich (ernsthaft!) überlegt, mich für ein Jurastudium einzuschreiben. Weil ich gerne alle schwangeren und gemobbten Arbeitnehmerinnen verteidigen und unterstützen möchte. Ich habe das zunächst vertagt, weil ich eins nach dem anderen erledigen will und zunächst bekomme ich erstmal dieses rockende Kind aus meinem Bauch.
Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben...
Carlisle.
Da man neben einem Namen (den ich noch nicht habe) auch eine "aktuelle Geburtsurkunde der Mutter" für die standesamtliche Anmeldung des Kindes braucht, dachte ich mir, so 25 Tage vor dem ausgezählten Touchdown könnte ich mich ja auch mal darum kümmern.
Rief ich also gestern bei dem Standesamt meines Geburtsortes an und sprach dort mit dem Standesbeamten Hirsch. Eine kurze Erläuterung der Sachlage (schwanger - auf den letzten Metern - 450km entfernt - darf nicht mehr verreisen - brauche Geburtswisch) später, der Mann war auf Zack, hatte er sich meine Adresse notiert und hat mir versprochen, die Urkunde rauszulassen und mir zu schicken. Soweit so gut, das Anliegen hätte nun also in 5 Minuten erledigt sein können. War es aber nicht.
Unser Telefonat dauerte eine gute halbe Stunde, was darauf zurückzuführen ist, dass wir noch von Höcksken auf Stöcksken gekommen sind. Die Tatsache nämlich, dass ich noch nicht weiß, was das Kind für einen Namen bekommen soll und damit auch warten möchte, bis ich das wenigstens ein paar Tage kennengelernt habe, brachte den Herrn doch sehr zum lachen. Und es alarmierte ihn offensichtlich auch, denn er fing an, den großen Erfahrungsschatz seiner beruflichen Tätigkeit auszupacken.
Er könne den Leuten ja nur ins Gewissen reden, was sie ihren Kindern mit den Namen da antun. Aber wenn das als weiblicher oder männlicher Vorname in seinem schlauen Buch geführt werde, dann muss er das anerkennen und beurkunden. Und im Moment häufen sich diese ganzen Namen da von dem... (er suchte nach irgendwas) ..."Na, Sie wissen schon, da 'Biss zum Tod' oder so".
"Ach, diese Vampirfilme meinen Sie?"
"Ja, genau! Carlisle. Hab ich neulich erst wieder gehabt. Jetzt mal ehrlich: Carlisle Müller. Wie hört sich das denn an?"
Ich hab ihm dann versichert, dass ich noch keinen dieser Filme gesehen habe und meinem Kind einen vernünftigen Namen geben werde.
"Ich seh's dann ja, wenn ich die Meldung bekomme, dass Sie 450km entfernt ein Kind bekommen haben."
Meine Geburtsurkunde bekomme ich übrigens gebührenfrei.
Ende. Aus. Micky Maus.
Dütdütdütdütdü.
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