Wie es dazu kam, dass das frollein beinahe angefangen hätte, Jura zu studieren.
23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin, dachte ich mir, heute wäre ein schöner Tag, um Ihnen noch mal ein bisschen davon zu erzählen, wie gut man es als werdende Mutter in diesem Land doch hat.

Im Erlassen von Gesetzen und Vorschriften, im Aushändigen und Einfordern von Formularen ist dieses Land ja echt gut. Und dann haben wir ja nun mal auch das nachweisliche Problem, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden, was zu "Anreizprogrammen" wie Elternzeit und Elterngeld führt.

Und ich weiß, dass mein Fall ein Einzelfall ist, dass es viele viele andere Schwangere gibt, wo mit dem Arbeitgeber und sonst auch alles ganz knorke läuft. Aber das ist eben nicht immer so.

Und es kotzt mich (verzeihen Sie den drastischen Wortlaut) wirklich an, dass man als Frau und werdende Mutter in Deutschland zwar jede Menge Gesetze auf seiner Seite hat - auf dem Papier - aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist niemand für die Überwachung und Einhaltung da.

Das fängt bei den Vorgaben zu Beschäftigungsverboten an, die zwar im MuSchG geregelt sind, aber wo ein Gewerbeaufsichtsamt einfach sagt, es habe wichtigeres zu tun, als da jetzt eine Kontrolle zu machen. Dann müsse der Frauenarzt eben ein Attest ausstellen. Nun sehen Frauenärzte ihre Hauptaufgabe sicher auch nicht darin die Arbeitsbedingungen schwangerer Arbeitnehmerinnen zu begutachten (zumal ja auch noch eine Praxis zu führen ist) und Atteste zu erstellen und je nachdem welchem "Schlag" der Arzt angehört, kann das für die Schwangere vielleicht auch ein bisschen peinlich oder unangenehm sein, da mit einem solchen Anliegen vorstellig zu werden. Und selbst, wenn der Arzt das Attest erstellt, wenn der Arbeitgeber sich doof stellen will, dann tut er das. Natürlich ist die Schwangere im Recht. Und natürlich kann ihr auch nichts passieren, arbeitsplatzmäßig gesehen. Aber alleine das Ringen, der Stress, die Anspannung und das vergiftete Klima... das kann man in kein Gesetz pressen. Und "Mobbing" ist in Deutschland (leider) nicht strafbar. Und Anwälte? Die können zwar böse Briefe schreiben, aber den Arbeitgeber ja auch nicht zwingen.

Und ich rede hier nicht nur von meinem Fall. Mir ist zum Beispiel beim Besuch meiner Anwältin alles aus dem Gesicht gefallen, als sie mir erzählte, dass eine Schwangere, die mit radioaktiven Stoffen arbeitete, vom Arbeitgeber nicht freigestellt wurde. Sie haben fünf Monate gestritten und gekämpft. Das Gewerbeaufsichtsamt hat nichts unternommen, die Anwältin hat alles versucht, die Schwangere ebenfalls. Dann hat sie das Kind verloren.

Was bleibt, ist das vergiftete Klima.

Und da kommt auch schon der nächste Punkt.

Es ist ja schön, dass man seinen Arbeitsplatz per Gesetz durch eine Schwangerschaft nicht verlieren kann. Dass wir Elternzeit nehmen dürfen und danach wieder in Lohn und Brot stehen sollen. Aber ein Gesetz kann und wird in Deutschland keine schwangerschafts- oder schwangeren-, geschweige denn mütter- und elternfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen.

Und es gibt sie leider, die Arbeitgeber, die in der schwangeren Arbeitnehmerin ein Übel sehen, einen unangenehmen Posten auf der Personalrolle, einen Störenfried in der Personalplanung, die fiese Unbekannte, mit der man nie rechnen kann, weil ihr morgens womöglich übel ist und sie nachmittags die Beine hochlegen muss. Und womöglich auch eine Mitarbeiterin, die das in sie gesetzte Vertrauen gebrochen und die ihr übertragenen Aufgaben eben nicht zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hat.

Ich gehe so weit zu sagen, dass, MuSchG hin oder her, es in Deutschland jeder Arbeitgeber ungestraft schaffen kann, eine schwangere Arbeitnehmerin nach der Geburt und eventuell in Anspruch genommenen Elternzeit nicht wieder einstellen zu müssen.

Mein subjektiver Eindruck ist außerdem, dass das "Problem" umso ausgeprägter ist, je qualifizierter die weibliche Arbeitskraft ist. Arbeitet die Frau dann womöglich noch in einer eher männlich geprägten Arbeitsumgebung, dann wage ich die Prognose, dass bei einem Chef, der wenig von Gleichberechtigung oder Gleichstellung verinnerlicht hat, die Arbeitnehmerin nicht sorgenfrei bis zum Eintritt ihrer Mutterschutzfrist wird arbeiten können.

Ich tue mich, als 32-jährige Frau im Jahr 2012, die sich eigentlich nie als benachteiligt gesehen hat, schwer mit Begriffen wie "Emanzipation", "Frauenbewegung", "Gleichstellung" usw. Ich identifiziere mich nicht mit Frauen, die in lila Latzhosen für die Rechte von Frauen kämpfen, die nicht müde werden zu beklagen, dass Frauen kein Eintritt in "Männerberufe" möglich ist, von denen aber keine je ein Ingenieursstudium oder eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung angestrebt hat, sondern die irgendwas auf Lehramt oder Magister studiert haben.

Und trotzdem muss ich, 23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin meines ersten Kindes, feststellen, dass vieles von dem, was hinsichtlich Gleichstellung und Frauenrechten gefordert wird, leider tatsächlich (noch) bitter nötig ist.

Vor allem aber finde ich es schade, dass denjenigen Frauen, die den schwarzen Peter gezogen und sich für einen der "schwangerenfeindlichen" Arbeitgeber entschieden haben, niemand zur Seite steht. Weder gibt es Beratungsangebote noch Unterstützung oder gar rechtliche Konsequenzen. Wollten Sie sich auf dem Wege eines zivilrechtlichen Verfahrens gegen Gesetzesmissachtungen ihres Arbeitgebers auflehnen, so können Sie davon ausgehen, dass es hier erst zu einem Urteil kommt, wenn ihr Kind schon im Kindergarten die ersten Bilder malt. Und sie werden sich auch 3x überlegen, ob sie sich das während ihrer Schwangerschaft antun. Denn, auch wenn klar ist, dass Ihnen von der Arbeitgeberseite keine "nette" Schwangerschaft vergönnt sein wird, stellen Sie sich sicher die Frage, ob sie es sich jetzt, in diesen Umständen, noch schwerer machen müssen als es ohnehin schon wird.

Und so, behaupte ich, gibt es viele Frauen, deren Schwangerschaft hätte schöner verlaufen können, wenn die Stimmung im Arbeitsleben eine etwas andere wäre.

Und deshalb habe ich zwischenzeitlich (ernsthaft!) überlegt, mich für ein Jurastudium einzuschreiben. Weil ich gerne alle schwangeren und gemobbten Arbeitnehmerinnen verteidigen und unterstützen möchte. Ich habe das zunächst vertagt, weil ich eins nach dem anderen erledigen will und zunächst bekomme ich erstmal dieses rockende Kind aus meinem Bauch.

Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben...




bie_st am 06.Jan 12  |  Permalink
daumen hoch - guter artikel.
da ich mich zu den arbeitgebern zähle, nehme ich das hier als mahnung, sollte eine unserer mitarbeiterinnen mal mit einer schwangerschaft um die ecke kommen. :)
im ernst - bisher hab ich mir dazu nicht viele gedanken gemacht (machen müssen). aber man weiß ja nie - und wir sind ein dreigestirn (2xm und 1xw) in der führung. da würde es mich schon mal interessieren, wie ein "schwangerschaftsfall" behandelt werden würde...

frollein am 06.Jan 12  |  Permalink
Danke!

Ich will auch gar nicht sagen, dass es nicht auch Arbeitnehmerinnen gibt, die in ihren Schwangerschaften sicherlich genau das machen, was viele Arbeitgeber annehmen, nämlich unendlich krankfeiern und eigentlich schon weit vor dem Mutterschutz aus dem Job aussteigen (und wenn auch nur mental). Es gibt immer zwei Seiten.

Aber ich denke, ein bislang gutes Arbeitsverhältnis sollte es wert sein, fair miteinander umzugehen. Dazu gehört eine gehörige Portion Verständnis und Flexibilität vom Arbeitgeber, aber ich glaube ja auch fest daran, dass man sowas dann auch zurückbekommt. Je nach Position ist es natürlich mehr oder weniger schwierig mit einer Schwangerschaft.

Eine Sachbearbeiterin ohne großen Kontakt zur Außenwelt kann morgens eher mal problemlos dreimal die Kloschüssel knutschen als eine Projektmanagerin, deren Blueberry währenddessen schon die Erinnerungen für vier verpasste Meetings schickt.

Aber: Sie machen das schon. Da bin ich ganz sicher :)

sid am 06.Jan 12  |  Permalink
Das ist leider ganz schlimm.
Bei uns müßte es auch einen angepaßten Arbeitsplatz hinterher wieder geben - dem ist aber nicht so.
Meiner Freundin hat der Arbeitgeber (in der Zwischenzeit von Deutschen aufgekauft und neuer Chef) "angeboten" von 7h bis ich weiß nicht mal wann, zu arbeiten UND auch Wochenenddienste.

Daß sie nun außerhalb der Stadt wohnt und fast 2 Stunden hinfahren würd, dafür kann ja niemand (nur sie) was - das ist ja auch noch bis zu einem Punkt kein Thema. Aber wer glaubt wirklich, daß die Tagesmutter schon um 5h das Kind übernimmt und bis 19h behält? Und am Wochenende auch?
(Weil zum Glück wohnt sie ja nu außerhalb der Stadt, da ists mit Kindergartenplätzen GANZ schlimm - abgesehen davon, daß die oft über Mittag (!!) zu machen und nicht immer wieder auf). Aber... das interessiert nicht - Frauen zurück an den Herd.

Somit haben sie sich nun einvernehmlich geeinigt und meine Freundin mutiert zum Herdheimchen.
Letztens hätte ich sie fast mal gebeutelt, weil sie derart darin aufgeht.
Dagegen hab ich grundsätzlich nichts, aber wenn jemand, der immer für sich gern selbst gesorgt hat, nun zu sowas wird... und kein Stück Selbstständigkeit mehr besitzt... das ist zum Kotzen.

Aber die Politiker wird großteils von Männern gemacht. Oder generell von Leuten, die vom betreffenden Bereich nur wenig Ahnung haben. Leider...

frollein am 06.Jan 12  |  Permalink
Japp. Genau der Punkt mit dem Arbeitsplatz "danach" isses nämlich. Das ist ja schön, dass einen der Arbeitgeber zwar "zurücknehmen" muss. Aber da der Arbeitgeber auch nur "irgendwas" anbieten muss - und das schrieb ich ja auch im Beitrag - kann man die Arbeitnehmerin auch ganz leicht loswerden.

Mein Arbeitsplatz wurde ja noch neu besetzt, bevor ich überhaupt in Mutterschutz war. (Was soweit auch okay gewesen wäre, wenn man mir da auch was von gesagt hätte, aber ich erfuhr das beim Lesen eines Protokolls so nebenbei) Unbefristet, versteht sich. Auf mein Nachfragen beim Chef, sagte mir dieser, dass ich doch einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz hätte, auch nach meiner Rückkehr. Aber ich solle doch mal meinen Arbeitsvertrag genau lesen. Immerhin dürfe man mir ja auch andere Tätigkeiten zuweisen, auch an anderen Orten.

Ausgehend davon, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Elternzeit beantragt habe und theoretisch auch 8 Wochen nach der Geburt wieder auf der Matte stehen könnte, finde ich das schon hart, wenn man allen ernstes eine Mutter in Stillzeit u.U. auch an die andere Ecke des Landes versetzen möchte...

kelef am 06.Jan 12  |  Permalink
es hat sich nicht wirklich was geändert, da haben sie recht. nur die gesetzesvorlagen sind anders, aber damit macht - wie immer - jeder was er will.

natürlich gibt es immer wieder frauen, die die schwangerschaft zum anlass nehmen für die nächsten zwanzig bis dreissig jahre das ansinnen einer erwerbstätigkeit als abstrus zu betrachten.

es gibt aber auch die anderen, die durchaus keine probleme haben alles unter einen hut zu bekommen, und das als ganz selbstverständlich betrachten.

ich masse mir nicht an, hier prozentzahlen zu vermuten. erfahrungsgemäss ist allerdings die erste gruppe grösser. vielleicht fällt aber auch die zweite gruppe nicht so sehr auf, weil es einfach kein diskussionspunkt ist dass sie kinder haben und arbeiten gehen. ich hatte kolleginnen, die mit helfendem ehemann und helfenden (schwieger)müttern bei einem kind überfordert waren, und welche, die alleine drei kinder grosszogen ohne nennenswerte probleme.

abgesehen von den eigenen interfamiliären kindheitserfahrungen hat ein arbeitgeber dann auch noch möglicherweise die häusliche stimmung im hinterkopf, dagegen kann man wenig tun. und wenn ein arbeitgeber entsprechende erfahrungen gemacht hat, dann legt er beim wort "schwanger" notgedrungen die ohren an.

selber hatte ich anno dunnemals glück, ich bekam zwar keinen kindergartenplatz und konnte mir keine tagesmutter leisten und der staat österreich war wenig hilfreich, aber ich durfte mein kind ein jahr lang ins büro mitnehmen. sowas geht aber natürlich auch nicht überall, und ist ziemlich weit von einer ideallösung entfernt.

in vielen grosskonzernen heisst es zwar nach aussen: wir tun alles für mütter!, aber die personalpolitik, die von weit weg gelenkt wird, schreibt vor dass frauen mit kindern bitteschön möglichst, nun ja, irgendwie aus dem betrieb entfernt werden sollen. sei es nun durch arbeitszeitwechsel, unvereinbare arbeitszeiten oder zuteilung merkwürdiger tätigkeiten. da können die lokalen personalchefs dann wenig dagegen tun, weil sie sich sonst nämlich selber einen neuen job suchen dürfen.

das ist rundum sehr hässlich für alle beteiligten. und meist ist es so, dass eine einzelne schwangere, die alle register zieht und alles und jedes ausnützt, dann den weg für die nächsten zehn schwangeren sehr mühsam macht.

verstehen sie mich nicht falsch: ich will keineswegs irgendeinem halunken die stange halten, und auch nicht frauen verdammen die an schwangerschaftsbedingtem dauererbrechen leiden, die halbe schwangerschaft liegend verbringen müssen oder ein schwieriges kind haben, ganz im gegenteil.

was den meisten menschen in solchen fällen ernsthaft fehlt ist eine eigene anständigkeit und ehrlichkeit, das betrifft sowohl die arbeitgeber als auch die arbeitnehmer. dann könnte man sich nämlich zusammensetzen und vernünftige über die zukunft reden, und wie sich das jeder beteiligte so vorstellt. und dann sollten sich alle daran halten wollen und können. solange die gesellschaft dies aber nicht verinnerlicht hat, werden die schwierigkeiten immer grösser werden statt kleiner. das resultat ist dann, dass viele menschen aus reinem selbsterhaltungstrieb gesetze und situationen ausnützen, weil sie sonst nämlich vor die hunde gehen. und dann fängt der kreislauf mit "schwanger, omg" von vorne wieder an, nur noch härter und rücksichtsloser.

frollein am 06.Jan 12  |  Permalink
Der letzte Absatz, der ist einfach nur so was von wahr.

Wir könnten hier gerade eine Ablösung für unseren Bundespräsidenten gebrauchen, hätten Sie nicht...???

maracaya am 06.Jan 12  |  Permalink
Uff. Ich bin immer wieder froh, dass ich in der Hinsicht scheinbar einen extrem toleranten Arbeitgeber erwischt habe - trotz Ingenjörberuf in Maennerdomaene. Schwein gehabt.

Recht (oder ein Recht auf etwas) haben und es dann auch bekommen sind doch immer wieder zwei voellig verschiedene Angelegenheiten.

Schwanger mit Radioaktivem Zeug arbeiten?? Ich glaub es hackt ... :-/

frollein am 06.Jan 12  |  Permalink
Ich freue mich auch ehrlich zu sehen, dass es das auch gibt. Dass es Arbeitgeber oder Chefs gibt, die sich ehrlich mit ihren Mitarbeiterinnen über die Schwangerschaft freuen können, alles Gute wünschen und wo im Kollegenkreis es dann einfach auch so ist, dass alle ein bisschen enger zusammenrücken, um das bisschen Arbeitskraft, was vielleicht durch das gerade entstehende neue Leben fehlt, aufzufangen und zu kompensieren.

So sollte es nämlich sein.

Und das fängt in der Gesellschaft an.
Im Kopf von jedem einzelnen.