Donnerstag, 5. Januar 2012
Wie es dazu kam, dass das frollein beinahe angefangen hätte, Jura zu studieren.
23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin, dachte ich mir, heute wäre ein schöner Tag, um Ihnen noch mal ein bisschen davon zu erzählen, wie gut man es als werdende Mutter in diesem Land doch hat.

Im Erlassen von Gesetzen und Vorschriften, im Aushändigen und Einfordern von Formularen ist dieses Land ja echt gut. Und dann haben wir ja nun mal auch das nachweisliche Problem, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden, was zu "Anreizprogrammen" wie Elternzeit und Elterngeld führt.

Und ich weiß, dass mein Fall ein Einzelfall ist, dass es viele viele andere Schwangere gibt, wo mit dem Arbeitgeber und sonst auch alles ganz knorke läuft. Aber das ist eben nicht immer so.

Und es kotzt mich (verzeihen Sie den drastischen Wortlaut) wirklich an, dass man als Frau und werdende Mutter in Deutschland zwar jede Menge Gesetze auf seiner Seite hat - auf dem Papier - aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist niemand für die Überwachung und Einhaltung da.

Das fängt bei den Vorgaben zu Beschäftigungsverboten an, die zwar im MuSchG geregelt sind, aber wo ein Gewerbeaufsichtsamt einfach sagt, es habe wichtigeres zu tun, als da jetzt eine Kontrolle zu machen. Dann müsse der Frauenarzt eben ein Attest ausstellen. Nun sehen Frauenärzte ihre Hauptaufgabe sicher auch nicht darin die Arbeitsbedingungen schwangerer Arbeitnehmerinnen zu begutachten (zumal ja auch noch eine Praxis zu führen ist) und Atteste zu erstellen und je nachdem welchem "Schlag" der Arzt angehört, kann das für die Schwangere vielleicht auch ein bisschen peinlich oder unangenehm sein, da mit einem solchen Anliegen vorstellig zu werden. Und selbst, wenn der Arzt das Attest erstellt, wenn der Arbeitgeber sich doof stellen will, dann tut er das. Natürlich ist die Schwangere im Recht. Und natürlich kann ihr auch nichts passieren, arbeitsplatzmäßig gesehen. Aber alleine das Ringen, der Stress, die Anspannung und das vergiftete Klima... das kann man in kein Gesetz pressen. Und "Mobbing" ist in Deutschland (leider) nicht strafbar. Und Anwälte? Die können zwar böse Briefe schreiben, aber den Arbeitgeber ja auch nicht zwingen.

Und ich rede hier nicht nur von meinem Fall. Mir ist zum Beispiel beim Besuch meiner Anwältin alles aus dem Gesicht gefallen, als sie mir erzählte, dass eine Schwangere, die mit radioaktiven Stoffen arbeitete, vom Arbeitgeber nicht freigestellt wurde. Sie haben fünf Monate gestritten und gekämpft. Das Gewerbeaufsichtsamt hat nichts unternommen, die Anwältin hat alles versucht, die Schwangere ebenfalls. Dann hat sie das Kind verloren.

Was bleibt, ist das vergiftete Klima.

Und da kommt auch schon der nächste Punkt.

Es ist ja schön, dass man seinen Arbeitsplatz per Gesetz durch eine Schwangerschaft nicht verlieren kann. Dass wir Elternzeit nehmen dürfen und danach wieder in Lohn und Brot stehen sollen. Aber ein Gesetz kann und wird in Deutschland keine schwangerschafts- oder schwangeren-, geschweige denn mütter- und elternfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen.

Und es gibt sie leider, die Arbeitgeber, die in der schwangeren Arbeitnehmerin ein Übel sehen, einen unangenehmen Posten auf der Personalrolle, einen Störenfried in der Personalplanung, die fiese Unbekannte, mit der man nie rechnen kann, weil ihr morgens womöglich übel ist und sie nachmittags die Beine hochlegen muss. Und womöglich auch eine Mitarbeiterin, die das in sie gesetzte Vertrauen gebrochen und die ihr übertragenen Aufgaben eben nicht zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hat.

Ich gehe so weit zu sagen, dass, MuSchG hin oder her, es in Deutschland jeder Arbeitgeber ungestraft schaffen kann, eine schwangere Arbeitnehmerin nach der Geburt und eventuell in Anspruch genommenen Elternzeit nicht wieder einstellen zu müssen.

Mein subjektiver Eindruck ist außerdem, dass das "Problem" umso ausgeprägter ist, je qualifizierter die weibliche Arbeitskraft ist. Arbeitet die Frau dann womöglich noch in einer eher männlich geprägten Arbeitsumgebung, dann wage ich die Prognose, dass bei einem Chef, der wenig von Gleichberechtigung oder Gleichstellung verinnerlicht hat, die Arbeitnehmerin nicht sorgenfrei bis zum Eintritt ihrer Mutterschutzfrist wird arbeiten können.

Ich tue mich, als 32-jährige Frau im Jahr 2012, die sich eigentlich nie als benachteiligt gesehen hat, schwer mit Begriffen wie "Emanzipation", "Frauenbewegung", "Gleichstellung" usw. Ich identifiziere mich nicht mit Frauen, die in lila Latzhosen für die Rechte von Frauen kämpfen, die nicht müde werden zu beklagen, dass Frauen kein Eintritt in "Männerberufe" möglich ist, von denen aber keine je ein Ingenieursstudium oder eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung angestrebt hat, sondern die irgendwas auf Lehramt oder Magister studiert haben.

Und trotzdem muss ich, 23 Tage vor dem vereinbarten erwarteten voraussichtlichen Termin meines ersten Kindes, feststellen, dass vieles von dem, was hinsichtlich Gleichstellung und Frauenrechten gefordert wird, leider tatsächlich (noch) bitter nötig ist.

Vor allem aber finde ich es schade, dass denjenigen Frauen, die den schwarzen Peter gezogen und sich für einen der "schwangerenfeindlichen" Arbeitgeber entschieden haben, niemand zur Seite steht. Weder gibt es Beratungsangebote noch Unterstützung oder gar rechtliche Konsequenzen. Wollten Sie sich auf dem Wege eines zivilrechtlichen Verfahrens gegen Gesetzesmissachtungen ihres Arbeitgebers auflehnen, so können Sie davon ausgehen, dass es hier erst zu einem Urteil kommt, wenn ihr Kind schon im Kindergarten die ersten Bilder malt. Und sie werden sich auch 3x überlegen, ob sie sich das während ihrer Schwangerschaft antun. Denn, auch wenn klar ist, dass Ihnen von der Arbeitgeberseite keine "nette" Schwangerschaft vergönnt sein wird, stellen Sie sich sicher die Frage, ob sie es sich jetzt, in diesen Umständen, noch schwerer machen müssen als es ohnehin schon wird.

Und so, behaupte ich, gibt es viele Frauen, deren Schwangerschaft hätte schöner verlaufen können, wenn die Stimmung im Arbeitsleben eine etwas andere wäre.

Und deshalb habe ich zwischenzeitlich (ernsthaft!) überlegt, mich für ein Jurastudium einzuschreiben. Weil ich gerne alle schwangeren und gemobbten Arbeitnehmerinnen verteidigen und unterstützen möchte. Ich habe das zunächst vertagt, weil ich eins nach dem anderen erledigen will und zunächst bekomme ich erstmal dieses rockende Kind aus meinem Bauch.

Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben...